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Vertrauen als Basis des Politischen?

Man liest immer wieder von Politikern jeder Coleur die in inhaltslosen Interviews oder redebeiträgen fordern, die Politik müsse die Akzeptanz des Politischen bei Bürger festigen und Vertrauen schaffen. Messbarometer dieser Akzeptanz und Vertrauens bzw. fehlendem Vertrauens ist die Politikverdrossenheit ausgedrückt in der Wahlbeteiligung. Da in nahezu allen diesen Äußerungen Akzeptanz und Vertrauen in einem Atemzug mit Wählermobilisierung und zielgruppenorientierten Wahlkampf fällt, können die großen Worte der Wortnehmer des Politischen getrost nicht ernst genommen werden. Aber den allein zweckorientierten Parteisöldnern steht das Heer der Verdrossenen in nicht nach. Der kleine Mann, der sich permanent und zu jeder Zeit als Opfer der da oben sieht, kann Politik auch kaum denken ohne an Steuern und seinen Geldbeutel zu denken.

Meine Überspitzung weist auf ein Problem hin, dass momentan als Zyklus dieses Denken durchbricht: Rechte und Pflichten werden sich gerne gegenseitig in einem ungleichen Verhältnis zugeschoben und das Verhältnis dieser beiden staatstragenden Grundfesten werden dabei wenig reflektiert.

Doch ab und an kommen die Grundfesten, die Grundrechte und die Verantwortung von Politik, Gesellschaft und System in den Blick. Dies geschieht im Moment, auch wenn Opel und der Geldbeutel sich schon wieder positionieren, um diese unangenehme Diskussion zu verdrängen. Gemeint ist die Diskussion um Bürgerrechte und Zensur, den ich enorm verärgert schon im letzten Beitrag thematisiert habe.

Ich habe so reagiert, wie derjenige, der seinem Geldbeutel zu verteidigen sucht, ohne nachzudenken. Denn die Vorstöße unserer Regierung in einen Bereich, in dem sie auf diese Art meiner Meinung nach nichts zu suchen hat, können auch anders betrachtet werden. Positiv und als staats- und demokratiefördernde Strukturen, die das Vertrauen schaffen und nicht untergraben. Man muss sich als Bürger nicht verraten fühlen und darauf schimpfen,d ass Deutschland immer mehr zur Diktatur verkommt, sich nicht von China unterscheidet und der Bürger immer weiter entmündigt wird.

Unser Staat ist nämlich ein entschieden stabileres System verschiedener Mach- und Kontrollinstanzen, als eine solch negative Darstellung suggeriert.  People in motion hat darauf schon in der Diskussion um Onlinedurchsuchungen hingewiesen und eine differenzierte Darstellung und Diskussion eingefordert. Dies möchte ich im Folgenden auch ind er Diskussion um die Zensur im Internet tun.

Die Klagen gegen das Internetsperrgesetzt sind in Vorbereitung und in absehbarer Zeit wird dies am Bundesverfassungsgericht verhandelt werden. Dabei ist wohl zu erwarten, dass der Verstoß von Ursula von der Leyen in seiner Vehemenz und Rechtebeschränkung zurückgewiesen und gleichzeitig aber auch die Kompetenz des Staates im Internet aufgezeigt wird. So wie im Streitfall Onlinedurchsuchungen ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen wurde, wird sicherlich im Streitfall Internetsperrung auch eine Grenzziehung der staatlichen Zugriffsmöglichkeiten im Internet passieren. Das Verfassungsgericht wird sich mit Sicherheit der Tragweite einer solchen Auseinandersetzung bewusst sein, auch wenn mit ebensolcher Sicherheit das Internet nicht als der viel beschriehene rechtsfreie Raum bestätigt wird. Eine Abwägung zwischen staatlichen Möglichkeiten der Kriminalitätsbekämpfung und der Einhaltung bürgerlicher Rechte wird dort stattfinden. So wird das Internet eben auch nicht zum bürgerrechtsfreien Raum.

Wenn man über Politik und vertrauen nachdenkt, dann kannman nicht nur den Widerstreit zwischen Politikern und Bürgern thematisieren, sondern muss eben auch die Kontrollinstanzen mit einbeziehen. Es mag bedenklich bezogen auf den Charakter gewisser Politiker sein, dass in Bezug auf das Internet ständig Gesetze erlassen werden, die vom Bundesverfassungsgericht in großen Teilen wieder kassiert werden und als nicht verfassungskonform zurückgewiesen werden. Das Vertrauen in das Politische sollte aber dadurch nicht verloren gehen. Denn Politik in Deutschland ist zum Glück eben nicht die alleinige Auseinandersetzung der Gesetzgebenden und dem Wähler, sondern wird gesteuert, gelenkt udn reglementiert von einer Instanz, die sich gleichermaßen als Stimme des Staates und des Bürgers verstehen muss.

Im Grunde genommen sind also die Vorstöße von Schäuble und von den Leyen ein Glücksfall, haben sie doch für genug Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit gesorgt, sodass unsere Gesellschaft als ganze gezwungen ist darüber nachzudenken und den immer wichtiger werdenden Bereich des Internets stärker in unsere rechtliche Balance aufzunehmen. Das macht die zwei oben genannten nicht zu Helden und Zweifel an deren Rechtsstaatlichen Auffassungen sind weiter angebracht, aber es macht den ganzen Vorfall nicht zu einer Vertrauenskrise.

Vertrauen im Politischen kann nur im Streit entstehen, wohlwissend,d ass nicht immer die eigene Meinung die richtige sein kann. Für das vertrauen ist es nicht wichtig, dass sich die Akteure der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gegenseitig vertrauen, sondern nur, dass sie ihre Rechte und Pflichten kennen und respektieren. Diese führen manchmal über Gericht, meist aber eben auch nicht. Auseinandersetzungen über Neues werden meist vehementer diskutiert und so verwundert es kaum, dass sich hier die Lager stärker gegeneinander positionieren als dies in schon lange währenden Diskussionen und „alten“ Fragen der Fall ist.

Damit bleibt für mich die CDU, die SPD und auch die grünen in der kommenden Bundestagswahl unwählbar, aber ein für alle Zeiten in Zeiten der Verärgerung hinauszubrüllen und darauf zu verharren zeugt nicht vom vertrauen in das, was alle auf ihre Weise befördern wollen: die Gesellschaft.

Ich habe jedenfalls die Hoffnung, dass in dieser Wahl die Rechte udn Pflichten im Internet durchaus ein Wahlkampfthema werden und so ein Umdenken stattfinden kann. Noch mag dieses öminöse Dingens wo jeder scheinbar machen kann, was er will, eher dunkles und feindliches Mysterium für die einen und demokratisches Selbstverständnis für die anderen sein, aber ein respektables Abschneiden der Piratenpartei bei der Bundestagswahl könnte dies ändern.

Dadurch würde aber nicht ein Akteur die Bühne des Politischen betreten, der endlich vertrauen schafft, sondern ein weiterer Akteur, der den wichtigen Themen unserer Gesellschaft zur Stimme verhilft, wie dies mit der Ökologie und den Grünen in den Neunzigern geschehen ist. Ob dies geschieht ist aber nicht die Entscheidung der bösen Politiker da oben, sondern die Frage, wie wichtig dem Einzelnen sein Geldbeutel ist, wenn er das Kreuzchen am 27. September macht. vertrauen zu schaffen ist Aufgabe eines jeden Einzelnen, so romantisch sich das auch anhören muss. Alle, die meinen, dass die Bürgerrechte im Internet ebenso gelten sollten, sind aufgefordert, dementsprechend auch ihre Stimme abzugeben, um zu verhindern,  dass das Thema wieder in der Versenkung verschwindet. Schreibt, redet, bloggt und überzeugt eure Mitmenschen. Informiert oder predigt. Tut etwas. Aber nicht um die drohende Apokalypse herauszuzögern, sondern um der Gesellschaft ein wichtiges Thema mehr zu geben.

Immer im Wissen, dass es auf euch ankommt, ohne zu befürchten, dass es nur auf euch ankommen könnte. Das ist Vertrauen im Politischen.


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